Vergessene OP-Nadel - Anspruch auf Schmerzensgeld?
Patienten haben bei ärztlichen Behandlungsfehlern einen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. Für die Höhe der Bemessung dieser Ansprüche stellt man auf Schmerzensgeldtabellen ab, welche zwar nicht verbindlich, aber eine gute Orientierungshilfe sind. Doch wie sieht es mit atypischen Behandlungsfehlern aus?
Anlass dieser Fragestellung ist ein Fall, zu dem ein Urteil des OLG Stuttgart erging. In diesem musste sich eine Frau aus Aalen einer Nierensteinoperation unterziehen. Dafür suchte sie sich das Bundeswehrkrankenhaus in Ulm aus. Zwar ist die OP gut verlaufen, doch was der Patientin nach zwei Monaten mitgeteilt worden ist, schockierte diese: Während der Operation hat das OP-Team versehentlich eine fast zwei Zentimeter lange Nadel im Lendenmuskel der Patientin vergessen. Dies stellte sich erst bei der Röntgennachuntersuchung heraus. Den Ärzten nach könne man die Nadel nicht entfernen, da die Operation dazu viel zu riskant sei.
200.000 Euro Schmerzensgeld für den Verlust beider Nieren
Einer jugendlichen Patientin, die nach einem groben Befunderhebungsfehler ihrer Hausärztin beide Nieren verloren hat, dialysepflichtig geworden ist und 53 Folgeoperationen, darunter zwei erfolglosen Nierentransplantationen ausgesetzt war, stehen 200.000 EUR Schmerzensgeld zu.
Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall einer 1986 geborenen Patientin entschieden. Diese hatte sich über mehrere Jahre bis März 2002 durch die ortsansässige beklagte Hausärztin behandeln lassen. Die Patientin litt seinerzeit unter einer krankhaften Fettsucht und einem Nikotinmissbrauch. Im September 2001 stellte die Ärztin bei ihr einen deutlich erhöhten Blutdruck fest. Sie wies die Patientin und ihre Mutter auf eine notwendige Blutdruckkontrolle hin. Im November erfuhr die Ärztin, dass die Patientin wiederum erhöhte Blutdruckwerte hatte. Hierdurch war es zu Kreislaufproblemen gekommen. Dabei war die Patientin viermal bewusstlos geworden. Die Ärztin überwies sie daraufhin zum Internisten bzw. Kardiologen. Dort sollte eine weitere Diagnose erstellt werden. Zudem bot sie erneut regelmäßige Blutdruckkontrollen an. Diese wurden von der Patientin in den nächsten Wochen jedoch nicht wahrgenommen. Die Blut- und Nierenwerte untersuchte die Ärztin während dieser Zeit nicht. Nach der Behandlung durch die Ärztin wurden bei der Patientin beiderseitige Schrumpfnieren diagnostiziert. In den folgenden Jahren wurde sie 53 mal operiert.
Einsicht in die Patientenunterlagen
Patienten dürfen ihre Krankenakte einsehen und Kopien hiervon anfertigen. Der Anspruch richtet sich in der Regel gegen den behandelnden Arzt und/oder die medizinische Einrichtung (Krankenhaus, Uni-Klinik).
Nach dem Tod können Erben und nächste Angehörige um einen Einblick bitten. Allerdings kann der Patient im Vorfeld ausdrücklich bestimmen, dass im Todesfall niemand seine Krankenunterlagen einsehen darf. Es empfiehlt sich, zu Lebzeiten - etwa im Rahmen einer Patientenverfügung oder letztwilligen Verfügung - eine Einwilligung in die Einsichtnahme in die eigene Patientenakte durch bestimmte Dritte schriftlich festzuhalten.
Falsches Bein: Verwechslung von Körperteilen bei einer Operation
In Deutschlands Krankenhäusern und Arztpraxen ist es im Jahr 2022 zu 2696 Behandlungsfehlern gekommen. Die Daten sind jedoch wenig repräsentativ. Experten sind sich sicher: Die Dunkelziffer ist deutlich höher. Die Behandlungsfehler passieren in jedem Fachbereich. Genauer:
-30,0 % (3.960 Fälle) Orthopädie und Unfallchirurgie
-12,2 % (1.599 Fälle) Innere Medizin und Allgemeinmedizin
-9 % (1.143 Fälle) Frauenheilkunde und Geburtshilfe
-8 % (1.133 Fälle) Allgemein- und Viszeralchirurgie
-8 % (1.006 Fälle) Zahnmedizin
-6 % (834 Fälle) Pflege
-26 % weitere Fachgebiete
Hierunter fallen vermasselte Operationen, übergangene Knochenbrüche, beschädigte Implantate und verwechselte Körperteile, sowie Medikamente. Zwei Drittel der Schäden sind nur vorübergehend. Ein Drittel der entstandenen Schäden ist jedoch dauerhaft.
Doch wie konnte das passieren?
Impfschaden-Klage gegen AstraZeneca abgewiesen
Das Landgericht Mainz hat eine Schadensersatzklage auf Schmerzensgeld in Höhe von € 150.000,00 einer vermeintlich Impfgeschädigten abgewiesen. Zum einen sind Klagen wegen Impfschäden oftmals nicht kausal nachweisbar, dass beispielsweise wie hier die Taubheit des Ohres im Nachgang die Ursache in der Impfung hat.
Zum anderen stellt sich oftmals die Frage, ob – wenn sich ein Risiko verwirklicht hat – man auf dieses Risiko seinerzeit hätte hinweisen müssen. Das ist in der Regel nur dann der Fall, wenn dies nach gesicherten wirtschaftlichen Erkenntnissen oder in einem bestimmten Risikospektrum vor Verabreichung der Impfung geboten war.