Die Fahrerlaubnis kann wegen der fehlenden charakterlichen Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr auch dann entzogen werden, wenn der Führerscheininhaber bislang verkehrsrechtlich nicht aufgefallen ist. So entschied das Verwaltungsgericht (VerwG) Gelsenkirchen im Fall eines zwanzigjährigen Mannes, der seit seinem 15. Lebensjahr mehrfach und fortlaufend nach dem Jugendstrafrecht wegen (gefährlicher) Körperverletzung, Sachbeschädigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung verurteilt worden war.

Die Fahrerlaubnisbehörde entzog ihm die Fahrerlaubnis, da aufgrund des von ihm ausgehenden hohen Aggressionspotenzials nicht zu erwarten sei, dass er sich im Straßenverkehr hinreichend angepasst und an den Regeln orientiert verhalte.

 

An der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung bestünden nach Auffassung des VerwG keine Bedenken. Etwaige mit der sofort wirksamen Fahrerlaubnisentziehung verbundene insbesondere wirtschaftliche und berufliche Schwierigkeiten habe der Mann hinzunehmen, weil gegenüber seinen Interessen das Interesse am Schutz von Leib, Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer eindeutig überwiege. Es seien keine Anhaltspunkte für die Richter ersichtlich, dass die Strafverfahren und Jugendstrafen sowie ein nach eigenen Angaben durchgeführtes Anti-Aggressionstraining irgendeine Verhaltensänderung bewirkt haben könnten. Nach den Feststellungen des Gerichts sei der Mann zurzeit zusammen mit Mitgliedern einer neonazistischen Gruppe angeklagt, weil er an Körperverletzungen auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt im November 2011, dem Überfall auf die Gaststätte "HirschQ" im Dezember 2010 und an Körperverletzungsdelikten in Duisburg ebenfalls im Dezember 2010 beteiligt gewesen sein solle. Diese Strafverfahren könnten nach Auffassung der Richter berücksichtigt werden, obwohl sie noch nicht rechtskräftig abgeschlossen seien. In Verbindung mit den schon rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren werde aus den aktuellen Verfahren deutlich, dass das Aggressionspotenzial des Mannes mit anderen Mitgliedern seiner Gruppierung zusammen und häufig auch unter erheblichem Alkoholeinfluss weiterhin ungehemmt wirke. Von einer Besserung oder gar Aufarbeitung könne nicht die Rede sein. Obwohl der Mann bisher verkehrsrechtlich nicht aufgefallen sei, sei daher auch ohne Abklärung durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten von seiner Nichteignung auszugehen. Bei diesem Sachverhalt stehe die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht im Ermessen der Behörde (VerwG Gelsenkirchen, 7 L 896/12).