Wer ein umgängliches und leicht zu reitendes Pferd sucht, stattdessen ein bockiges und unberechenbares Tier erhält, kann vom Vertrag zurücktreten, da eine „vereinbarte Beschaffenheit“ nicht gegeben ist. Das Oberlandesgericht Oldenburg in Niedersachsen nahm genau dies an, weil die Käuferin als Reitanfängerin, was der Verkäufer wusste, ein umgängliches Reittier suchte. Zeugen bestätigten in einer Beweisaufnahmen, dass das Tier schon immer misstrauisch und unberechenbar gewesen sei. Damit war das Pferd laut einem Sachverständigen für die Käuferin von vorneherein nicht geeignet. Die Folge. Rückabwicklung. Der Verkäufer bekommt sein bockiges Pferd zurück und muss den Kaufpreis von € 55.000,00 der Vertragspartnerin erstatten. Nicht bekannt ist, wie das Oberlandesgericht entschieden hätte, wenn es sich um ein sturen Esel gehandelt hätte.

Die Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Oldenburg im Wortlaut:

Kaufvertrag über ein bockiges Pferd

„Pacta sunt servanda - An Verträge muss man sich halten", heißt es unter Juristen. Manchmal kann man sich aber von einer einmal eingegangenen vertraglichen Verpflichtung wieder lösen. Wenn dies nicht einverständlich geht, muss ein Gericht entscheiden. Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg hat jetzt den Rücktritt einer Reiterin von einem Pferde-kauf bestätigt. Sie kann das Pferd an den Verkäufer zurückgeben und erhält im Gegenzug den Kaufpreis von 55.000,- Euro erstattet.

Die Reiterin aus New York hatte im Alter von 58 Jahren begonnen, Reitunterricht zu nehmen. Sie suchte ein umgängliches und leichtrittiges sowie lektionssicheres Lehrpferd, das für sie mit ihren geringen Erfahrungen geeignet sein sollte. Der Beklagte aus dem Landkreis Emsland stellte ihr das Pferd „Comingo" vor. Nach drei Proberitten wurde der Kauf besiegelt.

In der Folge stellte sich heraus, dass das Pferd nicht so einfach zu handhaben war. Es ließ sich kaum longieren und musste beim Aufsteigen festgehalten werden. Die Reiterin erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag wegen eines „Sachmangels". Das Pferd habe nicht die vereinbarte Beschaffenheit. Der Verkäufer wollte von einem Rücktritt nichts wissen. An sich handele es sich bei Comingo um ein braves und leicht zu handhabendes Pferd.

Der Senat gab der Reiterin Recht. Die Parteien hätten eine sogenannte Beschaffenheitsvereinbarung getroffen. Das Pferd habe leicht zu handhaben sein sollen. Dies sei aber nicht der Fall. Zeugen hätten bestätigt, dass sich das Tier misstrauisch verhalte, sich in der Box nicht greifen lasse und nervös und unberechenbar sei. Einer hinzugezogenen Sachverständigen gelang es zwar, unter großer Vorsicht das Pferd zu longieren. Es handele sich aber um ein sehr sensibles Tier, für dessen Handhabung besondere Erfahrungen notwendig seien, so die Sachverständige. Es sei für einen Anfänger nicht geeignet.

Trotz der Proberitte war nach der Entscheidung des Senats nicht davon auszugehen, dass der Reiterin der Mangel des Pferdes umfassend bekannt oder aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war, was eine Rücktrittsberechtigung ausgeschlossen hätte.

Die Reiterin habe dem Verkäufer auch keine Frist zur Nacherfüllung setzen müssen. Eine Nacherfüllung durch Lieferung eines Ersatzpferdes scheide aus. Denn die Parteien hätten sich auf den Verkauf dieses bestimmten Pferdes und nicht auf die Lieferung eines quasi „austauschbaren" Pferdes geeinigt.

Az. 1 U 51/16, Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 1. Februar 2018

 

[Nr.28/2018 - PM des OLG Oldenburg vom 18.06.2018]