Der für das Erbrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat entschieden, dass der in Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19.8.1969 (NEhelG a.F.) festgeschriebene Ausschluss vor dem 1.7.1949 geborener nichtehelicher Kinder vom Nachlass des Vaters für vor dem 29.5.2009 eingetretene Erbfälle weiterhin Bestand hat.

 

 

Diese Entscheidung betraf einen im Jahr 1940 nichtehelich geborenen Mann. Er hatte im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche aus dem Erbfall nach seinem im Jahr 2006 verstorbenen Vater geltend gemacht. Die Beklagte, eine eheliche Tochter des Erblassers, ist dessen durch Testament bestimmte Alleinerbin.

 

Der BGH verwies auf die Entwicklung in der Gesetzesgeschichte. Bis zum 30.6.1970 galten ein nichteheliches Kind und sein Vater nicht als verwandt. Daher fand insofern keine gesetzliche Erbfolge statt. Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. hielt diesen Ausschluss zum Nachteil vor dem 1.7.1949 geborener nichtehelicher Kinder aufrecht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat jedoch 2009 festgestellt, dies könne das auch nichtehelichen Kindern zustehende Recht auf Achtung ihres Familienlebens aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) beeinträchtigen und diskriminierend sein. Mit Blick hierauf hat der deutsche Gesetzgeber im April 2011 die Stichtagsregelung in Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. - rückwirkend - für ab dem 29.5.2009 eingetretene Erbfälle aufgehoben.

 

Die Richter entschieden nun, dass die Aufrechterhaltung der Regelung des Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. für vor dem 29.5.2009 eingetretene Erbfälle nicht gegen die Rechte aus dem Grundgesetz verstoße. Die begrenzte Rückwirkung der gesetzlichen Neuregelung und die damit weiterhin bestehende Benachteiligung vor dem 1.7.1949 geborener nichtehelicher Kinder sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt und daher nicht zu beanstanden. Der deutsche Gesetzgeber habe insbesondere dem grundgesetzlich geschützten Vertrauen von Erblassern und deren bisherigen Erben in die Beibehaltung der bestehenden Regelung entscheidende Bedeutung beimessen dürfen. Erst mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sei ein solches Vertrauen in einen Ausschluss nichtehelicher Kinder eines männlichen Erblassers von dessen Erbe nicht mehr berechtigt gewesen. Auch eine Berücksichtigung der genannten Garantien der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten selbst führe zu keiner anderen Beurteilung der Entscheidung des Gesetzgebers. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte lasse sich vielmehr entnehmen, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet war, die Rechtslage auch für die Zeit vor Verkündung der Entscheidung im Jahr 2009 zu ändern (BGH, IV ZR 150/10).