Volkswagen versucht in allen Zivilprozessen, bei denen betrogene Dieselbesitzer gegen den Konzern und die Verantwortlichen vorgehen, sich als ahnungsloses Opfer darzustellen. Es wird behauptet, dass man von dem Dieselbetrug nichts gewusst habe, jedenfalls nicht die vertretungsberechtigten Organe. Als Pontius Pilatus des Volkswagenkonzerns wäscht Martin Winterkorn bis heute seine Hände in Unschuld und das, obwohl die Staatsanwaltschaft genau deswegen bereits Anklage gegen ihn erhoben hat. Zwar ist das Verfahren noch nicht eröffnet und ein Urteil noch nicht gesprochen. Entscheidend wird sein, was im Mai 2014 sich ereignet hat. Denn in seinem „Wochenendkoffer“, den Martin Winterkorn gewöhnlich freitags zum Aktenstudium mit nach Hause nahm, wurde er eindringlich davor gewarnt, dass die Betrügereien demnächst in den USA enttarnt würden. Sein damaliger Vertrauter, Bernd Gottweis, soll das brisante Papier noch mit einem leuchtenden Post-it-Aufkleber versehen haben. Wenn das stimmt, hat Martin Winterkorn sich schon deshalb schuldig gemacht, weil er im Anschluss daraufhin nichts unternommen hat und Betrugsdiesel weiterhin verkauft wurden (mal abgesehen davon, ob er nicht schon seit 2007 Kenntnis hatte, wie gemeinhin angenommen wird).

Anscheinend nahm Martin Winterkorn in seiner aktiven Zeit für den VW-Konzern regelmäßig übers Wochenende Arbeit mit nach Hause. Dafür wurde ihm ein sog. Wochenendkoffer bereitgestellt. Ende Mai 2014 enthielt der Koffer Informationen, die ein Jahr später 2015 Grund dafür waren, dass Martin Winterkorn seinen Vorstandsposten räumen musste. Der damalige Leiter der Qualitätssicherung im VW-Konzern, Herr Frank Tuch, teilte in einem auf den 23.05.2014 datierten Schreiben mit: „Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Winterkorn, in Anlage erhalten Sie die Informationen zu Überschreitungen der Stickoxid-Emissionen bei Real Driving Emissions (RDE)  Tests in den USA. ... Bei den Messungen an den Fahrzeugen ... wurden die NOx-Werte deutlich überschritten – um den Faktor 15 bis 35.“

Der Dieselbetrug von VW wirkt für die Vorstände und für die ehemaligen Vorstände toxisch nach. Ähnlich wie Martin Winterkorn droht nun auch dem aktuellen VW-Chef Herbert Diess eine persönliche Inanspruchnahme nicht nur von Aktionären, sondern auch von ganz gewöhnlichen Käufern von Dieselfahrzeugen. Jetzt hat der ehemalige Leiter für Produktsicherheit Bernd Gottweis gegenüber der Staatsanwaltschaft Braunschweig erklärt, dass er neben Martin Winterkorn auch Herrn Herbert Diess persönlich vor den Folgen des Dieselbetruges gewarnt habe. In früheren Statements des Vorstandvorsitzenden Herbert Diess kam dieser Passus nie vor. Wenn Bernd Gottweis die Wahrheit sagt, dann hat Herbert Diess gelogen.

Nach einem von VW in Auftrag gegebenen Gutachten soll nicht der Dieselskandal für den Absturz der Gebrauchtwagenpreise bei Dieselautos ursächlich sein, sondern die Drohnen oder verhängten Fahrverbote. Damit läge bei den betroffenen Dieselkunden kein Schaden vor. – FALSCH! Für eine Rückabwicklung und Schadensersatzansprüche ist diese Deutung ohnehin von nur nachrangiger Bedeutung. Es kommt am Dieselbetrug wesentlich darauf an, ob das Fahrzeug beim In-Verkehr-bringen manipuliert gewesen ist oder nicht. Bei den VW-Modellen mit dem Motor EA189 kann man dies bejahen. Das hat selbst der Volkswagen-Chef, Herbert Diess, in einer Talksendung bei Markus Lanz eingeräumt (wir berichteten).

VW stellt sich in der Masse darauf ein, auch bei einer endgültigen Niederlage vor Gericht erfolgreich aus der Dieselaffäre herauszukommen.

 

Und das geht so: In der Regel gewähren die Gerichte VW-Kläger und Schadensersatz dergestalt:  Rückgabe Ihres Fahrzeuges gegen Erstattung des Kaufpreises und der Anrechnung einer Nutzungsentschädigung. Der anrechenbare Nutzungsausgleich bemisst sich nach den gefahrenen Kilometern. Je mehr Kilometer, desto weniger ist der Rückkaufswert. Da ein Dieselfahrer das Fahrzeug in der Regel bis zu seiner Rückabwicklung weiter nutzt und bis dahin Jahre vergehen können, steigt die Zahl der gefahrenen Kilometer. Irgendwann wird es dann wirtschaftlich uninteressant. Wir haben zwar für eine Reihe der Mandanten erreichen können, dass ein Nutzungsvorteil nicht abgezogen werden muss, doch spricht ein Großteil der Gerichte diesen Volkswagen zu. Je länger jemand zuwartet, desto weniger ist der Rückabwicklungsanspruch wert!