Eine Behandlungsmethode, die noch nicht hinreichend klinisch getestet ist, nennt man Neulandmethode. Hört sich bedenklich an, stellt jedoch nicht automatisch einen Behandlungsfehler dar.

Deswegen hat der BGH in seinem Urteil vom 18.05.2021 entschieden: Bei Neulandmethoden müssen strenge Anforderungen an die Patientenaufklärung und Sorgfaltspflichten der zu Behandelnden gelten. Jeder Patient muss nach ausführlicher Aufklärung über die Sachlage und Risiken umfassende Kenntnis erlangt habe, um selbst entscheiden zu können, ob er sich der Behandlung unterziehen möchte.

Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem einem Patienten eine neuartige Bandscheibenprothese eingesetzt wurde, bei der noch keine längerfristigen klinischen Studien über die Haltbarkeit des Produkts durchgeführt wurden. Der Patient musste mit Brüchen und Auflösung der Prothese kämpfen, sodass der Hersteller alle Prothesen zurückrief. Die Prothese musste wegen starken Schmerzen entfernt werden.

Beim Hersteller konnte der Patient jedoch aufgrund von Insolvenz nichts holen. Aufgrund der Entscheidung des BGH kann jedoch eine Klage gegen die Klinik und den Behandler Erfolg haben.

Der Patient wurde nicht ordnungsgemäß aufgeklärt. Er wurde nicht darüber aufgeklärt, dass die Methode eine „Neulandmethode“ sei und unbekannte Risiken mit sich birgt.

Der Einwand der „hypothetischen Einwilligung“ ist unerheblich, so der BGH. Erklärt der Patient, er sei nicht sicher, ob er sich bei einer vollständigen Aufklärung tatsächlich für die Vornahme der Operation entschieden hätte, darf nicht von einer hypothetischen Einwilligung ausgegangen werden.

Der Patient ist somit für die durch den Eingriff verursachten Leiden zu entschädigen. Der BGH entscheidet jedoch auch bezüglich der Sorgfaltspflicht bei der Anwendung der neuen Prothese zu Gunsten des Klägers: Die Klinik, sowie die Ärzte müssen die Aussagen des Klägers widerlegen, dass sie schon vor der Operation Kenntnis bezüglich der Probleme der Prothesen erlangt hatten. Gelingt dies nicht, gelten die Aussagen des Klägers und eine ärztliche Sorgfaltspflichtverletzung liegt vor.

 

Der BGH verweist die Entscheidung zurück ans OLG Oldenburg.

 

Quelle: https://www.anwalt.de/rechtstipps/sorgfaltspflicht-und-patientenaufklaerung-bei-neulandmethoden-202390.html