Zu neudeutsch: Sedierungen durch den Zahnarzt könnten im Einzelfall rechtswidrig sein

Um langwierige Zahnbehandlungen und Operationen für ihre Patienten angenehmer zu gestalten, greifen Zahnärzte neben lokaler Anästhesie gerne auch zu bewusstseinsbetäubenden Sedierungsmitteln. Dies ist sicher auch oft im Interesse des Patienten, insbesondere bei Angstpatienten, kann aber auch zu schwerwiegenden Behandlungsfehlern führen, die einen Haftungsfall des Zahnarztes auslösen können. Insbesondere die intravenöse Gabe von Schlafmitteln muss streng kontrolliert und überwacht werden, was bei einer Zahnarztbehandlung durch den Zahnarzt nur schwer gewährleistet werden kann.

 

Zwar gibt es zu jedem Betäubungsmittel eine Angabe, wie es im Verhältnis zum Körpergewicht zu verabreichen ist. Aber man muss beachten, dass die reine Relation zum Körpergewicht keine sichere Sedierung gewährleisten kann. Zu beachten ist auch, dass eine Sedierung grundsätzlich auch von einem Zahnarzt durchgeführt werden darf. Das Versetzen in eine Narkose bleibt aber dem sogenannten Anästhesisten vorbehalten.

 

 

Bei einer Sedierung werden (auch intravenös) Medikamente Verabreicht, die den Patienten in einen tief entspannten, ruhigen Zustand- den sogenannten Dämmerschlaf versetzen. In diesem Zustand bleibt der Patient bei Bewusstsein, die eigene Atmung wird jedoch nicht unterdrückt und er bleibt ansprechbar (https://www.oralchirurgie-aalen.de/praxisklinik/sedierung-narkose/). Die Narkose hingegen bewirkt einen Zustand, welche dem Tiefschlaf ähnelt, das Schmerzempfinden des gesamten Körpers vollständig ausschaltet. Der Patient ist nicht ansprechbar und nicht bei Bewusstsein, weshalb eine künstliche Beatmung erfolgen muss. (https://www.oralchirurgie-aalen.de/praxisklinik/sedierung-narkose/).

Werden Behandlungen mit Narkose gezielt geplant, findet eine Arbeitsteilung zwischen Anästhesisten und Zahnarzt wie bei einer „normalen“ Operation statt.

 

Im Fall einer Operation wird in jedem Fall eine vollständige Anamnese durch den Anästhesisten durchgeführt. Bei der Anamnese handelt es sich um eine systematische Befragung, die den Gesundheitszustand eines Individuums zum Thema hat. Ziel ist es, die Anästhesie so individuell und schonend wie möglich zu gestalten und das Risiko durch eventuelle Vorerkrankungen einzukalkulieren. Während der Operation selbst, findet eine Arbeitsteilung zwischen dem Chirurgen und dem Anästhesisten statt. Der Chirurg konzentriert sich auf die Operation. Der Anästhesist überwacht währenddessen die Vitalzeichen (Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung etc.) und die Wirkung der Narkose.

 

Genau dieses arbeitsteilige Vorgehen findet bei Zahnärzten bei einer reinen Sedierung nicht statt. Hier verabreicht der Zahnarzt das Mittel ohne ausführliche vorherige Anamnese selbst und es findet keine gesonderte Überwachung statt.

 

Dies ist solange unbeachtlich, bis die Sedierung in eine Narkose umschlägt. Hier hört der Patient auf zu atmen und es wird gegebenenfalls eine Beatmung erforderlich. Um den Übergang dieser Grenze zu erkennen, sind vertiefte Kenntnisse über die Physiologie des Menschen erforderlich, welche ein Zahnarzt nach Aussage von Anästhesist Jörg Karst nicht hat (https://www.welt.de/politik/deutschland/plus245766676/Zahnarzt-Sedierung-zur-Behandlung-Gefaehrlich-und-absolut-nicht-vertretbar.html).

 

Rechtlich gesehen ist dies, insbesondere bei fehlender umfassender Aufklärung über die Risiken und Kompetenzüberschreitung, ein Behandlungsfehler. Dieser kann sowohl Schadensersatz- als auch Schmerzensgeldansprüche auslösen. Auch, wenn der Zahnarzt das Versetzen in die Narkose nicht gezielt beabsichtigt hat, kann dies eine Pflichtwidrigkeit darstellen.

 

Der Maßstab für einen Behandlungsfehler ist nach § 630a II BGB der allgemein anerkannte fachliche Standard. Dieser Standard gibt nach BGH Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der ärztlichen Erfahrungen erwartet werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 22.12.2015 – VI ZR 67/15).

 

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Anästhesist nicht alles, was zur fachgerechten Anästhesie notwendig ist, eigenhändig machen muss. Er darf an qualifiziertes nicht-ärztliches Personal delegieren, soweit die Maßnahme nicht – unter spezieller Betrachtung der beschriebenen interagierenden Faktoren- gerade dem (Fach-)Arzt eigene Kenntnisse und Kunstfertigkeiten voraussetzt (BGH NJW 1975, 2245 (2246)). Delegierbar sind daher nur reine Überwachungsmaßnahmen unter strikter Beachtung der Entschließung zur Zulässigkeit und Grenzen der Parallelverfahren in der Anästhesiologie (Anästh Intensivmed 1989;30:56-57; Anästh Intensivmed 2007; 48:223-229).

 

 

Wird aber eine Anästhesie durch den Zahnarzt versehentlich herbeigeführt, obwohl nur eine Sedierung beabsichtigt war, liegt eine Überschreitung des Kompetenzbereichs und Facharztbereichs vor, damit ein Behandlungsfehler, weil die Behandlung nicht mehr dem Facharztstandart entspricht. Die Behandlung ist dann rechtswidrig.