RA Rafael Fischer | Strafrecht

Kommentar zur Meldung, dass der Rechtsanwalt des TV-Satirikers Jan Böhmermann, Christian Schertz, die Bundeskanzlerin kritisiert (Focus vom 04.10.2016: Böhmermann-Anwalt übt Kritik an Merkel).

 

Kaum ist das Strafverfahren (vorerst) eingestellt, vermelden die Günstlinge des Rechts: „Ich hab das schon immer gewusst!“... Haben sie nicht! Wäre es um einen weniger öffentlich bekannten Fall gegangen, wäre viel eher mit einer Anklage zu rechnen gewesen. Die Staatsanwaltschaft hat vorliegend auch keinen „Freispruch“ erklärt, sondern dass letztlich nur deswegen keine Anklage erhoben wird, weil dem Beschuldigten kein vorsätzlich beleidigendes Handeln nachzuweisen sei. Die Staatsanwaltschaft wörtlich: „Der Vorsatz muss das Bewusstsein umfassen, dass eine Äußerung nach ihrem objektiven Sinn eine Missachtung einer Person darstellt.“

Hören/Sehen Sie sich das Schmähgedicht an. Kann man wirklich glauben, dass Herr Böhmermann davon ausgehen konnte, dass dieses Gedicht für jeden nur als Witz oder Unsinn erkennbar war ohne jedwede Ernsthaftigkeit oder Beleidigungsabsicht?

Ob die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Bestand haben wird, wird sich zeigen. Die Sache kann so oder so ausgehen und entbehrt nicht entsprechender Situationskomik.

 

Rechtsanwalt Christian Schertz wirft der Kanzlerin Unkenntnis vor und lobt die Staatsanwaltschaft dafür, dass sie erkannt habe, dass man das Gedicht nicht solitär betrachten kann. Die Auffassung der Bundesregierung scheint ehrlicher. Die Auffassung der Staatsanwaltschaft ist nichts anderes als die Wiedergabe des "Goldenen-Brücke-Arguments" der Verteidigung, dass man das Gedicht in einem Gesamtkontext betrachten müsse. Das hat Jan Böhmermann bei seiner Darbietung nicht so rübergebracht Vermutlich ist diese Sichtweise seinen Verteidigern auch erst später eingefallen.

Herr Rechtsanwalt Christian Schertz meint sogar, dass die Kanzlerin sich mit ihrer öffentlichen Äußerung der Kompetenzüberschreitung verfassungsgemäßer Gewaltenteilung schuldig gemacht habe und eine öffentliche Vorverurteilung vorgenommen habe. Nicht die Kanzlerin hat sich auf fremdes Terrain begeben, vielmehr Böhmermann hat sich in aktuelle heikle Politik eingemischt. Böhmermann hat nur nicht damit gerechnet, dass dies so hohe Wellen schlägt. Vielleicht ist er auch einfach viel zu jung. 1987 löste damals Rudi Carrell mit seiner Satiresendung „Rudis Tagesshow“ eine diplomatische Krise aus, als er durch Bilderzusammenschnitte den Eindruck erweckte, dass dem damaligen Ajatollah Khomeini im Iran Damenunterwäsche zuflöge.

Vielleicht sind die Ansichten des Herrn Rechtsanwalt Schertz am Ende selbst solitär. Denn das Landgericht Hamburg hat im Mai diesen Jahres eine zivilrechtliche Unterlassungsverfügung gegen Böhmermann erlassen. Nach diesseitiger Kenntnis hat das Gericht 18 von 24 Zeilen beanstandet. Im Falle der Zuwiderhandlung drohen Böhmermann ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten. Im November findet deswegen mündliche Verhandlung statt.