RA Rafael Fischer | Strafrecht

In Deutschland scheint das im Moment noch möglich zu sein. So hat die Staatsanwaltschaft Konstanz von der Anklage gegen einen Vergewaltiger im Wege der Verfahrenseinstellung abgesehen, weil die Frau – als sie in ihrer Wohnung vergewaltigt wurde – paralysiert geschwiegen hat und nicht „Nein!“ gesagt hat. Wir haben gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Hintergrund ist folgender:

 

Noch immer wird vergewaltigten Frauen in Deutschland vorgehalten, sie hätten Widerstand leisten müssen oder dem Täter deutlich „Nein“ sagen müssen. Dass die Frau sich in Schockstarre befand (englische Bezeichnung: Rape-Freeze) hat die Staatsanwaltschaft (übrigens vertreten von einer Frau) nicht berücksichtigt. Im Gegenteil, es wurde der Frau noch vorgeworfen, dass nach der Sachverhaltsdarstellung der Geschädigten nicht davon auszugehen sei, dass ihr in Folge der Schnelligkeit der Abläufe nicht möglich war, einen ablehnenden Willen kund zu geben, weshalb der Tatbestand das Ausnutzen eines Überraschungsmoments nicht mehr gegeben sei. Auf Beschwerde hin hat die Generalstaatsanwaltschaft (ebenfalls eine Staatsanwältin) die Entscheidung der Ausgangsbehörde bestätigt.

 

Offensichtlich kennen oder berücksichtigen sie nicht, dass das Opfer in Schockstarre gar nicht in der Lage ist sich zu wehren und eine Verteidigungshaltung einzunehmen.

Die Staatsanwaltschaft hat dem Opfer jederzeitige volle Kontrolle über Körper und Geist unterstellt. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass in Bedrohungslagen das Nervensystem auch versagt und eine Schockstarre keine Reaktion mehr wie „fight or flight“ zulässt. Das nennt man „Freeze“.

 

Die Staatsanwaltschaft hätte die Wertung der Gesamtumstände dem erkennenden Gericht überlassen und Anklage erheben müssen.

 

Aber auch die sachbearbeitenden Staatsanwältinnen hätten erkennen müssen, dass schon nach den äußeren Umständen das Opfer nicht ansatzweise mit einer Sexualhandlung durch den Täter einverstanden war.