RA Rafael Fischer und Jasmin Abt, stud.jur. Universität Konstanz | Strafrecht

Was in den USA das Problem mit den Schusswaffen angeht, ist in Deutschland das Problem bei mitgeführten Messern.

 

In Deutschland kommt es jährlich zu etwa 20.000 Messerangriffen und in der Folge zu mehr als 100 Toten. Auch wenn man den Anteil der Taten im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt abzieht, findet ein Großteil der Gewalttaten in (Groß)Städten „auf offener Straße“ statt. Es ist darüber nachzudenken, dass in solchen innerstädtischen Zonen (U-Bahnen, Bahnhöfen usw.) Messer verboten sein müssten.

 

Kein normaler Mensch läuft mit einem Messer durch die Fußgängerzone. Es sei denn, er will es bei Bedarf benutzen. Ein Verbot für Messer mit einer Klingenlänge von mehr als beispielweise vier oder fünf Zentimetern würde die Gesamtsituation schnell entschärfen. Die meisten Überfälle, Vergewaltigungen und Körperverletzungsdelikte werden mit Messern begangen.

 

2020 kam es in Deutschland tagtäglich zu mehr als 50 Messerangriffen!

 

Es drängt sich zunächst die Frage auf, mit welcher Begründung § 1 Abs. 2 Nr. 2a WaffG insbesondere Hieb- und Stoßwaffen unproblematisch als Waffen qualifiziert, während eine Waffenqualifikation von Messern nur für den Einzel- und Ausnahmefall anzunehmen ist.

Dass ein Messerangriff weniger Gefahren und Risiken mit sich bringt als ein Dolchangriff erscheint doch sehr zweifelhaft und unüberlegt daher gesagt!

 

Diesen Gedanken hat zwischenzeitlich auch der Gesetzgeber aufgegriffen. Bestimmte Messer werden nun über § 1 Abs. 2 Nr. 2b i.V.m. Anl. 1 Abschn. 1 Unterabschn. 2 Nr. 2.1 WaffG als objektiv gefährliche tragbare Gegenstände eingestuft und damit dem Anwendungsbereich des WaffG unterworfen.

Hiernach ist der Besitz sowie das Führen von Spring-, Fall-, Faust- sowie Butterflymessern im öffentlichen Raum generell verboten.

 

Was ist jedoch mit all denjenigen Messern, die hiervon nicht umfasst werden?

Gem. § 42a Abs. 1 Nr. 3 WaffG ist das Mitsichführen von Messern mit einhändig feststellbarer Klinge (Einhandmesser) oder feststehende Messer mit einer Klingenlänge von über zwölf Zentimetern verboten. Fraglich ist jedoch, mit welcher Begründung und unter welchen Aspekten eine „nur“ zwölf Zentimeter lange Klinge als „noch ungefährlich“ erscheint.

Grundsätzlich geht es bei dem Beisichführen von Waffen um die abstrakte Gefährlichkeit und den präventiven Schutz des Gegenübers. Als Messerangriff wird deshalb bereits die bloße Androhung eines Angriffs mit einem Messer bezeichnet. Auch unter der Annahme, dass es durch das Mitsichführen des Messers zu keiner Verletzung kommt, hat eine Klinge von bis zu zwölf Zentimetern doch unstreitig eine starke bedrohliche Ausstrahlung, welche es durch das WaffG zu verringern, zu unterbinden und zukünftig zu verhindern gilt!

Nicht zuletzt, weil ein Verstoß gegen den § 42a WaffG lediglich eine Ordnungswidrigkeit darstellt!

 

Auf Grund dessen können die Landesregierungen seit 2007 auf der Grundlage des § 42 Abs. 5 S. 1 WaffG durch Rechtsverordnung zumindest das Führen von Waffen auf bestimmten öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen allgemein oder im Einzelfall verbieten oder beschränken.

Seit 2020 sind die Landesbehörden zusätzlich gem. § 42 Abs. 6 WaffG ermächtigt, an bestimmten öffentlichen Orten und in Einrichtungen mit öffentlichem Verkehr sogenannte Waffenverbotszonen und damit auch „messerfreie Zonen“ einzurichten.

Das bedeutet, dass das Führen von Waffen im Sinne des § 1 Abs. 2 WaffG oder von Messern mit feststehender oder feststellbarer Klinge mit einer Klingenlänge von über vier Zentimetern an den enumerativ aufgelisteten Orten verboten oder beschränkt werden kann, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Verbot oder die Beschränkung zur Abwehr von Gefahren erforderlich ist.

Sollte jedoch nicht bereits die Tatsache, dass ein „normaler Bürger“ ohne ersichtlichen Grund ein Messer bei sich führt die Annahme rechtfertigen, dass eine Abwehr von Gefahren erforderlich ist? In welcher Situation sollte ein derartiges Beisichführen einfach hingenommen und akzeptiert werden? Und wodurch erscheint eine örtliche Beschränkung im Rahmen der gesetzlich gelisteten Orte gerechtfertigt? Messerangriffe können hinter jeder Ecke, in jedem Kaufhaus, in jedem Zug oder sogar am eigenen Esstisch drohen.

Auch wenn die Einführung der Waffenverbotszonen ein Schritt in die richtige Richtung ist, erscheint ein generelles Trageverbot von Messern mit einer Klingenlänge von über vier Zentimetern definitiv notwendig und für die Zukunft unumgänglich!

 

Hieraus wiederum würde das Problem resultieren, dass auch Bürger ohne „bösen“ Hintergedanken gelegentlich Messer für den Haushaltsgebrauch kaufen müssen und hierbei auch Klingenlängen von über vier Zentimetern von Nöten sein können.

Dem könnte allerdings so begegnet werden, dass der Käufer das Messer (wie eine sonstige Waffe) in einem Transportbehälter tragen muss und einen Kaufbeleg bei sich führen muss, der das Tagesdatum trägt, an dem der Käufer das Messer mit sich nach Hause führt.

Dieser Grundsatzproblematik tritt das WaffG jedenfalls dahingehend entgegen, dass es Ausnahmen vorsieht, wenn ein berechtigtes Interesse des Bürgers an dem Beisichführen des Messers vorliegt, vgl. §§ 42 Abs. 6, 42a Abs. 3 WaffG.

Ein derartiges Interesse ist unter anderem anzunehmen, wenn es sich um Anwohner oder Anlieger handelt. Ebenso wird das berufliche Interesse am Beisichführen von Messern von Handwerkern oder, im Extremfall, von Messerwerfern umfasst.

 

Trotz objektiven Rückgangs der Kriminalitätsbelastung steigt die Anzahl der Messerangriffe und das Unsicherheitsgefühl gegenüber den eigenen Mitmenschen. Der unschuldige Bürger befürchtet immer mehr, Opfer einer Straftat zu werden und wird hierdurch gezwungen, beim Verlassen des Hauses selbst zum Messer zu greifen, um sich im Zweifelsfall verteidigen zu können.

Sollte dies nicht Grund genug sein, anstatt den eigenen Mitmenschen, den Messern den Kampf anzusagen und ein generelles „Messerverbot“ einzuführen?

 

[Quellen:

BGH, Beschluss vom 11.02.2003 - 5 StR 402/02 (LG Berlin);

BGH, Beschluss vom 03.06. 02008 - 3 StR 246/07 (OLG Celle);

Heller/Soschinka/Rabe: Verschärfungen im Waffenrecht 2020 in NVwZ 2020, 595, 560]