Einer jugendlichen Patientin, die nach einem groben Befunderhebungsfehler ihrer Hausärztin beide Nieren verloren hat, dialysepflichtig geworden ist und 53 Folgeoperationen, darunter zwei erfolglosen Nierentransplantationen ausgesetzt war, stehen 200.000 EUR Schmerzensgeld zu.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall einer 1986 geborenen Patientin entschieden. Diese hatte sich über mehrere Jahre bis März 2002 durch die ortsansässige beklagte Hausärztin behandeln lassen. Die Patientin litt seinerzeit unter einer krankhaften Fettsucht und einem Nikotinmissbrauch. Im September 2001 stellte die Ärztin bei ihr einen deutlich erhöhten Blutdruck fest. Sie wies die Patientin und ihre Mutter auf eine notwendige Blutdruckkontrolle hin. Im November erfuhr die Ärztin, dass die Patientin wiederum erhöhte Blutdruckwerte hatte. Hierdurch war es zu Kreislaufproblemen gekommen. Dabei war die Patientin viermal bewusstlos geworden. Die Ärztin überwies sie daraufhin zum Internisten bzw. Kardiologen. Dort sollte eine weitere Diagnose erstellt werden. Zudem bot sie erneut regelmäßige Blutdruckkontrollen an. Diese wurden von der Patientin in den nächsten Wochen jedoch nicht wahrgenommen. Die Blut- und Nierenwerte untersuchte die Ärztin während dieser Zeit nicht. Nach der Behandlung durch die Ärztin wurden bei der Patientin beiderseitige Schrumpfnieren diagnostiziert. In den folgenden Jahren wurde sie 53 mal operiert.

Wenn der Verdacht aufkommt von einem Arzt oder im Krankenhaus falsch behandelt worden zu sein und Sie dadurch einen Schaden erlitten haben, sollte möglichst schnell mit der Beweissicherung für eine außergerichtliche Einigung oder einen späteren Prozess begonnen werden.

Das sagen nicht wir, das äußert der Vorstandsvorsitzende Stefan Gronemeyer des Medizinischen Dienst (MD). Der Medizinische Dienst wird meist von den Krankenkassen (auf Veranlassung der Patienten) beauftragt unter anderem um Behandlungsfehler festzustellen. Im vergangenen Jahr hat dieser Dienst 3.665 Behandlungsfehler bestätigt. Davon führten 2.709 zu einem Schaden beim Patienten. Die Dunkelziffer unentdeckter Behandlungsfehler liegt vermutlich viel höher. Stefan Gronemeyer gibt an: „Experten gehen davon aus, dass nur etwa 3 % aller vermeidbaren unerwünschten Ereignisse nachverfolgt werden“. Das berichtet die FAZ in ihrer Online-Ausgabe vom 30.06.2022.

 

Am leichtesten festzustellen sind chirurgische Fehler. Es gibt hier immer wieder schwerwiegende Fehler, wie die Horrorvorstellung, dass ein Patient am gesunden Knie operiert wird, anstatt am betroffenen Knie. Seltener aufgedeckt werden Gesundheitsfolgen von falschen Medikamentengaben oder falschen Gesundheitstipps. Das liegt daran, dass Fehler bei chirurgischen Eingriffen für Patienten leichter zu erkennen sind, als Medikationsfehler.

Patienten haben bei ärztlichen Behandlungsfehlern einen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. Für die Höhe der Bemessung dieser Ansprüche stellt man auf Schmerzensgeldtabellen ab, welche zwar nicht verbindlich, aber eine gute Orientierungshilfe sind. Doch wie sieht es mit atypischen Behandlungsfehlern aus?

 

Anlass dieser Fragestellung ist ein Fall, zu dem ein Urteil des OLG Stuttgart erging. In diesem musste sich eine Frau aus Aalen einer Nierensteinoperation unterziehen. Dafür suchte sie sich das Bundeswehrkrankenhaus in Ulm aus. Zwar ist die OP gut verlaufen, doch was der Patientin nach zwei Monaten mitgeteilt worden ist, schockierte diese: Während der Operation hat das OP-Team versehentlich eine fast zwei Zentimeter lange Nadel im Lendenmuskel der Patientin vergessen. Dies stellte sich erst bei der Röntgennachuntersuchung heraus. Den Ärzten nach könne man die Nadel nicht entfernen, da die Operation dazu viel zu riskant sei.

Ein Assistenzarzt und eine in einem Krankenhaus betriebene Frauenarztpraxis wurde von einer Kranken- und Pflegekasse auf Schadensersatz verklagt.

Ein Behandlungsfehler im Jahr 2009 sei die Ursache.

Eine hochschwangere Frau bewegte sich am Tag der Geburt um 11:00 Uhr in die Klinik und musste sich auf 20:15 Uhr einem Notkaiserschnitt unterziehen, obwohl der pathologische Befund -welcher von einer Beleghebamme per CTG gemessen wurde- bereits um 15:55 Uhr als hochpathologisch eingestuft worden ist. Das ungeborene wurde leblos auf die Welt gesetzt, musste reanimiert werden und trägt seitdem irreversible Hirnschädigungen.

Kausal für den Zustand des Neugeborenen sei die Unterlassung des Arztes.