Antonia Kohde, stud. jur. Universität Konstanz | Strafrecht

Das Landgericht Braunschweig entschied, dass ein 51-jähriger Bundespolizist lebenslänglich ins Gefängnis muss, da er seinen Freund ermordet haben soll. Von dem Leichnam fehlt jede Spur.

Im April letzten Jahres soll Martin G. seinen Freund in dessen Garten attackiert haben. Auf der Terrasse fanden die Ermittler blutige Schleifspuren und die beschädigte Brille des Opfers. Danach soll Martin G. das stark blutende Opfer mit einem Kleintransporter zu einem unbekannten Ort gefahren haben und anschließend das Fahrzeug auf dem ehemaligen Expo-Gelände in Hannover abgestellt haben. Im Auto fanden die Ermittler erhebliche Blutansammlungen. Das Auto wurde zwar am Holländischen Pavillon gefunden, von der Leiche fehlt jedoch bis heute jede Spur. Tatmotiv soll eine Affäre mit der Ehefrau des Vermissten sein. Aktuell hat die Polizei erneut einen Aufruf gestartet, in dem sie nach Hinweisen auf den Verbleib der Leiche fragen.

Und dies ist kein Einzelfall.[1] Es gibt häufig Verurteilungen wegen Mordes oder Totschlages ohne eine Leiche. Aber ist das eigentlich so zulässig? Oder muss das Gericht ganz klar beweisen können, um verurteilen zu können?

Obwohl viele wohlmöglich denken, dass mit Indizien nur angeklagt werden kann, nicht aber verurteilt, sieht die Praxis der obergerichtlichen Rechtsprechung ganz anders aus. Das Gericht will im Strafverfahren die Wahrheit ermitteln anhand von Beweisen und Indizien. Wenn jedoch nur Indizien zur Verfügung stehen, weil beispielsweise – wie im beschriebenen Fall oben – kein Leichnam gefunden wird, muss ein sog. Indizienprozess geführt werden. Oftmals kommt das Gericht dann zu dem Entschluss, dass die Kette an Indizien so eindeutig ist, dass es kein Zufall mehr sein kann und der Angeklagte der Täter sein muss.

Der Bundesgerichtshof beschrieb den Indizienprozess bzw. dessen Daseinsberechtigung mit den Worten: „Hauptstück des Indizienbeweises ist also nicht die eigentliche Indizientatsache, sondern der daran anknüpfende weitere Denkprozess. Kraft dessen auf das Gegebensein der rechtserheblichen weiteren Tatsache geschlossen wird.“[2]

Man kann daher – sofern das Gericht zu der Überzeugung kommt, dass der Angeklagte aufgrund einer Indizienkette nur der Täter eines Mordes oder Totschlage sein kann – sehr wohl verurteilt werden, auch, wenn die Leiche spurlos verschwunden ist.

 

 

 

 



[1] Siehe beispielhaft nur BGH, Urteil v. 04.5.2022 – 1 StR 309/21

[2]  BGHZ 53, 245 ff., S. 2660, Urteil v. 17.2.1970 – III ZR 139/67; sog. „Anastasia-Entscheidung“