RA Rafael Fischer | Strafrecht

Ein pauschales Bestreiten eines Tatvorwurfs stellt keine Mitwirkung an der Sachaufklärung dar, so dass eine solche Äußerung noch als Schweigen des Angeklagten und nicht als eine Teileinlassung zu verstehen ist und deshalb nicht zu seinem Nachteil verwertet werden darf. Dies hat jetzt der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe entschieden und einen 31-jährigen Kfz-Mechaniker vom Vorwurf der Trunkenheitsfahrt freigesprochen.

Das Landgericht Waldshut-Tiengen hatte den Angeklagten zuvor im Berufungsverfahren wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 55 Euro (insgesamt: Euro 1.650) verurteilt, weil er mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,32 Promille im Bereich von Waldshut-Tiengen am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen haben soll.

 

Der Angeklagte hatte sich vor Gericht damit verteidigt, er habe zuhause noch zwei Flaschen Bier zu je 0,5 Liter getrunken, weshalb seine Blutalkoholkonzentration während der Fahrt allenfalls 1,04 Promille betragen haben könne und deshalb unter dem für die absolute Fahruntüchtigkeit nach § 316 StGB maßgeblichen Grenzwert von 1,1 Promille gelegen habe. Dieser Nachtrunkbehauptung hat die Strafkammer keinen Glauben geschenkt und ihre Überzeugung maßgeblich auf das Einlassungsverhalten des Angeklagten unmittelbar nach der Tat gestützt. Der Angeklagte hatte sich bei der Polizei auf sein Schweigerecht berufen, auf der Fahrt von seiner Wohnung zur angeordneten Blutabnahme sich jedoch zu einem ihm weiter zur Last gelegten und zwischenzeitlich fallengelassenen Vorwurf des Automatenaufbruchs mit den Worten „er habe nur aus Spaß am Automaten hantiert“ geäußert. Nach Auffassung der Strafkammer hätte es aber „auf der Hand gelegen, dass der Angeklagte auf der Fahrt zur Blutentnahme auch über den Nachtrunk berichtet hätte“, wenn ein solcher wirklich stattgefunden hätte.

 

Diese Erwägung hat der 1. Strafsenat nicht gelten lassen. Ein Angeklagter sei nach der Strafprozessordnung grundsätzlich berechtigt, zu den gegen ihn erhobenen Beschuldigungen zu schweigen (§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO). Mache er von diesem Recht Gebrauch, so dürfe dies nicht als ein Indiz zu seinem Nachteil gewertet werden. Ein Schweigen in diesem Rechtssinne bedeute aber nicht das Unterlassen jeder Erklärung, vielmehr komme es darauf an, ob sich der Angeklagte durch eine Äußerung zur Mitwirkung an einer Sachaufklärung bereit erkläre. Sei dies der Fall, so könne innerhalb eines einheitlichen Geschehens durchaus berücksichtigt werden, dass der Angeklagte zu einzelnen Punkten Angaben macht, zu anderen aber nicht. Eine solche teilweise Einlassung im Sinne einer Mitwirkung an der Tataufklärung liege aber nicht vor, wenn der Angeklagte lediglich seine Täterschaft pauschal bestreite. Dies sei vorliegend jedoch der Fall gewesen, da die Einlassung des Angeklagten „nur aus Spaß am Zigarettenautomaten hantiert zu haben“, keine wirkliche Mitwirkung an der Tataufklärung entnommen werden könne, es sich vielmehr um ein pauschales Bestreiten eines strafrechtlich relevanten Vorwurfs gehandelt habe.

 

Mangels anderer eine Verurteilung tragender Verdachtsmomente hat der Senat das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen aufgehoben und den Angeklagten - bezüglich der an sich vorliegenden Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG (Grenzwert: 05, Promille) war Verjährung eingetreten - vom Vorwurf der Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB freigesprochen.

 

(Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 04.08.2004 - 1 Ss 79/04 -)

 

Hinweis auf den GesetzestextSTPO § 136(1) Bei Beginn der ersten Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Er ist ferner darüber zu belehren, dass er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen kann. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf hingewiesen werden, dass er sich schriftlich äußern kann.(2)....

 

STGB § 316 Trunkenheit im Verkehr(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315d) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.(2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.