RA Michael Schmid | Strafrecht

Manche mögen es vielleicht bedauern, aber die Zeiten von Wasser und Brot sind im deutschen Strafvollzug schon lange Vergangenheit. Schon das Grundgesetz gebietet, dass jedermann - also auch Strafgefangene - einen Anspruch auf eine menschenwürdige Behandlung haben. Dieser Anspruch ist, natürlich auch für Strafgefangene, auch entsprechend einklagbar.

 

Einen Teilerfolg errangen nun zwei Häftlinge, die in bayrischen Justizvollzugsanstalten (Augsburg und Aichach) einsitzen. Unabhängig voneinander wollten die beiden gegen die Haftbedingungen in den Anstalten angehen. Grund hierfür war, dass in den kleinen Zellen, in denen die beiden Gefangenen mit jeweils einem Mitgefangenen untergebracht sind, die Toiletten nicht abgetrennt sind und auch keine eigene Abluft haben. Um die Verfahren führen zu können, beantragten beide Strafgefangene Prozesskostenhilfe.

 

In einem Fall lehnte das zuständige Landgericht Augsburg den Antrag auf Prozesskostenhilfe ab, der gegen diese Ablehnung eingereichten Beschwerde gab das Oberlandesgericht nicht statt. Begründung war jeweils, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg haben würde, der Insasse hätte auch einen Antrag auf Verlegung stellen können. Hiergegen klagte der Häftling vor dem Bundesverfassungsgericht, da ihm durch diese Entscheidung das rechtliche Gehör verweigert worden sei und die Rechtsschutzgleichheit nicht gegeben sei. Das Bundesverfassungsgericht gab dem Häftling Recht. Die Frage, ob die Unterbringung menschenwürdig sei, müsse das Gericht der Hauptsache klären, das Prozesskostenhilfeverfahren sei hierfür nicht die richtige Instanz.

 

Im anderen Verfahren lehnte das Landgericht Augsburg gleichfalls den Prozesskostenhilfeantrag ab, die hiergegen eingelegte Beschwerde war jedoch erfolgreich und das OLG München bewilligte die Prozesskostenhilfe. Seine Klage wurde dann aber vom Landgericht zurückgewiesen, wobei das Urteil fast wortgleich mit dem Beschluss ausfiel, mit dem auch zuvor die Prozesskostenhilfe abgelehnt worden war. Hiergegen legte der Mann Verfassungsbeschwerde ein, er sah eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, und auch das Willkürverbot sei hier verletzt worden. Dieser Klage gab das Bundesverfassungsgericht statt.

 

Wegen der nahezu wortgleichen Abweisung der Klage und der seinerzeitigen Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags ging das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass das Landgericht das Vorbringen des Klägers nicht im gebotenen Maße zur Kenntnis genommen und ernsthaft erwogen habe. Von daher wurde auch diese Sache nun an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen.

 

In beiden Fällen wird nun in absehbarer Zeit das Landgericht Augsburg nochmals darüber befinden müssen, ob eine nicht abgetrennte Toilette, ohne eigene Abluft, in einer Zwei-Mann-Zelle auch im Jahr 2021 noch als menschenwürdige Bedingung gelten könne.

 

[Urteil BVerfG, 08.12.2020, Az. 1 BVR 117/16 und 1 BVR 149/16]