RA Oliver Hirt | Arzthaftungsrecht

„als wir noch zur Schule gingen gab es immer nur einige Kinder in der Klasse, die eine Zahnspange trugen“. Zwischenzeitlich wird jedes zweite Kind in Deutschland von einem Kieferorthopäden „betreut“. Haben wir alle Kinder mit Zahnfehlstellungen geboren? Eher nicht, es wird bei den Kindern von heute offensichtlich zu viel „herumgedoktert“. Der Bundesrechnungshof kritisiert ausdrücklich, dass Kinder in Deutschland mit Zahnspangen versehen werden, obwohl deren Nutzen in vielen Fällen nicht ansatzweise feststeht. Es kommt der Verdacht auf, dass Kieferorthopäden begradigen und behandeln was geht. Wohl nicht zufällig sind diese in den 90er-Jahren zu der größten Newcomer Gruppe im Golfclub aufgestiegen.


Es kommt der Verdacht der medizinischen Fehlbehandlung auf. Wer über Jahre hinweg mit einer Zahnspange aufgewachsen ist, ohne dass dafür eine Notwendigkeit (medizinische Indikation) vorlag, dem steht gegen den Orthopäden/Zahnarzt möglicherweise ein Schadensersatz wegen Fehlbehandlung zu. Lässt sich die medizinische Notwendigkeit nicht erklären, steht dem Kind/Jugendlichen möglicherweise ein angemessener Schmerzensgeldanspruch zu. Bei einer Behandlung über Jahre hinweg komme da selbst in Deutschland Beträge im vier- bis fünfstelligen Bereich zustande. Hinzu kommen noch die oftmals nicht unerheblichen Selbstzahlungen, die Eltern über Jahre hinweg beigesteuert haben.

 

Die Diskussion und die Kritik bei den Kieferorthopäden ist Branchenintern schon lange bekannt, wird jetzt durch den Bundesrechnungshof allerdings aktuell in die Öffentlichkeit getragen.


Der Ausgangspunkt: Fast kein Mensch hat von Natur aus das ideale Gebiss. Die bloße Existenz von Kiefer- und Zahnfeststellungen ist für sich gesehen noch keine legitime Begründung für eine kieferorthopädische Therapie, was schon seit Jahren kritisiert wurde (http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/zahnspange-kritik-an-kieferorthopaedie-unerwuenscht-a-1037018.html) und jedem Kieferorthopäden auch bekannt ist. Wenn er in Kenntnis dieser Umstände fast allen Kindern, die in seine Praxis kommen eine Spange verpasst, ist das anrüchig und zurecht auch haftungsträchtig.