Antonia Kohde, stud. jur. Universität Konstanz | Strafrecht

Vor Gericht hängt oftmals der Ausgang des Verfahrens davon ab, wem Glauben geschenkt wird und, ob die Wahrheit gesagt wird oder nicht. Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen sind dabei sehr häufig. Die Aufgabe, herauszufinden wem Glauben geschenkt werden soll, obliegt dem Gericht, der Staatsanwaltschaft aber auch dem Verteidiger. Vielleicht mag sich der ein oder andere Angeklagte beim Versuch zu beweisen, dass er die Wahrheit spricht, denken: „Ach, könnte ich meine Unschuld doch nur durch einen Lügendetektor beweisen!“. Doch geht das vor den deutschen Gerichten? Ist das Ergebnis eines Lügendetektors ein zulässiges Beweismittel im Strafverfahren?

Was ist ein Lügendetektor überhaupt und wie funktioniert er?

Ein Lügendetektor ist ein Mehrkanalschreiber und wird meistens während einer Befragung von einer Person eingesetzt, um bestimmte unbewusste Körperreaktionen zu dokumentieren. Während jener Befragung wird der Verlauf von seinen physischen Parametern wie beispielsweise Puls, Blutdruck und Atmung gemessen und kontinuierlich aufgezeichnet. Offiziell wird der Lügendetektor als Polygraph („Vielschreiber“) bezeichnet. Im Rahmen von polygraphischen Untersuchungen gelangt man zu der Annahme, dass Menschen während sie lügen, gewisse körperliche Reaktionen zeigen, sie werden geringfügig nervös. Der Lügendetektor soll – so im Planspiel – durch die Anzeige von unwillkürlichen Reaktionen im vegetativen Nervensystem gerade dann seine Stärken zeigen und zum Einsatz kommen, wenn Dritte gerade nicht von außen erkennen können, ob ein Mensch lügt oder nicht. Durch einen Gurt um die Brust und Elektroden an den Handflächen und Fingern sowie weiterer Mittel, wird durch den Polygraphen für jede einzelne Frage aufgezeichnet, wie der Betroffene reagiert. Die Ergebnisse werden daraufhin später ausgewertet. Zurückzuführen ist der Polygraph auf eine Idee der Psychologen Max Wertheimer und Carl Gustav Jung aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts.

 

Ist der Lügendetektor vor den deutschen Gerichten zulässig?

Bereits im Jahre 1954 hat der Bundesgerichtshof den Einsatz von Polygraphen verboten, sogar dann, wenn der Betroffene dem Test eindeutig zuvor zugestimmt hatte. Begründet wurde diese Entscheidung von dem BGH mit dem Argument, dass der Test die Menschenwürde des Beschuldigten verletzten würde, da man dadurch einen „Einblick in seine Seele“ nehmen könnte (Urt. Des BGH v. 16.02.1954, Az. 1 StR 578/53). Diese Entscheidung bestätigte der BGH dann erneut mit einem Urteil vom 17.12.1998 (Az. 1 StR 156/98, 1 StR 259/98), indem er außerdem betonte, dass allein die Grundannahme, dass Menschen während sie Lügen nervös sind oder andere Symptome zeigen, nicht zutreffend sei. Es sei nach einhelliger Auffassung nicht möglich, eindeutige Zusammenhänge zwischen emotionalen Zuständen eines Menschen und hierfür spezifischen Reaktionsmustern im vegetativen Nervensystem zu erkennen. So müsse beispielsweise die Veränderung des Blutdrucks nicht auf der Entdeckungsfurcht beruhen, sondern könne völlig andere, nicht erfassbare Ursachen haben. Insbesondere sei es nicht nachweisbar und deshalb für den letzt- und eigenverantwortlich entscheidenden Richter nicht überprüfbar, dass der zu Unrecht Verdächtigte emotional gelassener reagiert als der Täter. Deshalb argumentierte der BGH im Jahre 1998, dass sogar die Bezeichnung des Polygraphen als „Lügendetektor“ jeder Grundlage entbehre.

Diese Grundsatzentscheidungen hatten unter anderem zur Folge, dass der Einsatz von Polygraphen vor Gericht und im deutschen Ermittlungsverfahren nicht erlaubt sind.

Trotzdem kam es Ende Oktober 2017 beispielsweise zu einem Sonderfall vor dem AG Bautzen in Sachsen. Dem Angeklagten Jens M. wurde Kindesmissbrauch vorgeworfen, er bestritt allerdings den Tatvorwurf, sodass die typische Aussage-gegen-Aussage-Situation entstand, denn abgesehen von dem vermeintlichen Tatopfer gab es keine Zeugen. Der Angeklagte wurde freigesprochen, nachdem der Richter, um den Wahrheitsgehalt der Aussage des Angeklagten zu überprüfen, einen Polygraphen verwenden ließ. Hierbei gilt jedoch, dass das Ergebnis des Lügendetektors nicht vor Gericht verwendet werden darf, es sei denn, der Angeklagte wird hierdurch entlastet.

Letztlich ist der Lügendetektor recht umstritten. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass man ihn auch überlisten bzw. manipulieren kann. So kann beispielsweise der Betroffene durch Selbsthypnose seine körperlichen Reaktionen auf brisante Fragen kontrollieren. Schließlich gibt es keine eindeutigen Studien, die belegen, dass beim Lügen Schnappatmung, Schweiß oder Herzklopfen entstehen. Ein Polygraph kann somit als unzuverlässig eingestuft werden und bildet damit grundsätzlich kein taugliches Beweismittel im deutschen Strafverfahren. Zwar kann der Verteidiger mit seinem Mandanten überlegen, trotz dessen den Polygraphen einzusetzen und somit die Unschuld des Angeklagten zu beweisen, doch mag dies manchmal auch etwas wie eine verzweifelte Hoffnung angesichts einer möglichen ungünstigen Beweislage wirken. Das Gericht wird sich schlussendlich jedoch nicht allein von einem Lügendetektorergebnis in seinem Urteil leiten lassen.