Am Donnerstag den 17.12.2020 fällte der BGH ein neues wegweisendes Urteil im Rahmen des Dieselskandals. Mit der Entscheidung des Musterfalls von Karlsruhe (Urt. v. 17.12.2020, Az. VI ZR 739/20) stellte der Bundesgerichtshof (BGH) fest, dass Betroffene des Abgasskandals welche erst im Jahre 2019 gegen VW geklagt haben, keine Möglichkeit mehr haben, ihre Ansprüche geltend zu machen.

Der BGH geht in seinem Urteil davon aus, dass 2015 bereits alle von dem Abgasskandal erfahren hatten und damit jedem schon genug bekannt gewesen sei, um vor Gericht zu ziehen. Wusste man damals schon, dass auch das eigene Auto betroffen ist, hätte man folglich bis spätestens Ende 2018 klagen müssen.

In dem oben bezeichneten Rechtsstreit klagte ein Käufer, welcher den VW Touran im April 2013 für knapp 28.000 Euro neu erworben hatte. Das Auto ist also zweifellos mit dem problematischen Motor vom Typ EA189 ausgestattet und damit betroffen. Allerdings hat der Käufer seine Klage erst 2019 beim Landgericht Stuttgart eingereicht. Nach Ansicht des BGH ist dies zu spät. Der Käufer wusste, dass sein Fahrzeug als eines von mehreren Millionen VW-Dieselfahrzeugen mit einer Motorsteuerungssoftware ausgestattet war, die so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten wurden, und dass das Kraftfahrtbundesamt der Beklagten deshalb eine Nachbesserung der betroffenen Fahrzeuge aufgab.

Fraglich ist jedoch, ob diese neue Rechtsprechung für jeden Fall im Abgasskandal gilt. Denn für einen Schadensersatzanspruchs reicht die Kenntnis der allgemeinen Diskussion über den Abgasskandal grundsätzlich nicht aus. Der einzelne Kläger muss viel mehr positive Kenntnis von der Tatsache haben, dass sein Fahrzeug auch betroffen ist. Ist ein Fahrzeug von VW im betreffenden Jahr gekauft worden, ist dem Käufer bewusst, dass die Möglichkeit besteht, dass auch sein Fahrzeug den Motor mit der Abschalteinrichtung eingebaut haben könnte.

Fraglich ist jedoch, ob diese Argumente in jedem Fall im Abgasskandal angewendet werden können.

Denn das Urteil und die öffentliche Debatte beziehen sich auf den Motor EA189. Genauer genannt den VW EA189 Motor. Diese Bezeichnung bezieht sich auf eine Reihe von TDI-Dieselmotoren der Volkswagen AG, welche bis 2015 in die Autos eingebaut wurden. Handelt es sich beispielsweise aber um den Motor des Audi Q5 TFSI 2.0 der Abgasnorm Euro 6 aus dem Baujahr 2015, den Porsche Cayenne S V6 3.0 Diesel Euro 6 oder ein Mercedes mit dem Motor OM 622, OM 651, OM 642 oder OM 626 muss die Frage der Verjährung neu beurteilt werden.

Ein Käufer anderer Marken und Modelle konnte nur durch das Bekanntwerden des Abgasskandals alleine gerade nicht wissen, dass auch sein Fahrzeug betroffen ist. Dass die Motorsteuerungssoftware auch bei anderen Fahrzeugen eingebaut wurde, wurde zu diesem Zeitpunkt zwar vermutet, aber war noch nicht sicher festgestellt. Die Rückrufe durch das KBA erfolgten teilweise erst im Jahr 2018. Diese Käufer haben noch nicht zwingend gewusst, dass der Motor mit der Abschalteinrichtung nicht nur in den Fahrzeugen von VW eingebaut wurde, sondern auch bei einer Vielzahl anderer Automarken. Hier ist damit nochmals gesondert festzustellen, wann der Käufer positive Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs im Abgasskandal hatte.