Der Plagiatsprüfer Gerhard Dannemann kommentiert gegenüber dem Spiegel: „Für Bücher gelten keine wissenschaftlichen Maßstäbe.“
Na, und? Es geht nicht darum, dass man eine Urheberrechtsverletzung und damit in der Regel eine Straftat begeht. Es geht vorliegend um ganz banales Verhalten, sich mit „fremden Federn schmücken“. Wer ein Buch von Annalena Baerbock kauft oder liest denkt doch: Das hat die Autorin selbst geschrieben. Er denkt nicht: Das hat die Autorin selbst abgeschrieben. Das ist schlimmer, als nur vor dem Frühstück am Pool ein Handtuch auf der Liege zu drapieren. Frau Annalena Baerbock hätte vielleicht schon im Buchtitel die Wahrheit sagen müssen: „Alles nur geklaut, entschuldige, das hab‘ ich mir erlaubt.“
Erlaubt wäre es, wenn man benennt, was man wo geklaut hat. Das aber hat die Kanzlerkandidatin nicht getan. Das wiegt jetzt schwer.
Die FDP wird aus diesem Desaster profitieren. FDP-Vize Wolfgang Kubicki rechnet in BILD.de gnadenlos mit der Grünen-Kanzlerkandidatin ab: „Baerbock ist nur Kandidatin, weil sie die Frauen-Karte gezogen hat!“. Kubicki spricht zwischenzeitlich von einer „Merkel für Arme“. Das mag jetzt zu heftig sein und dem trocknen norddeutschen Humor geschuldet sein. Die Situation zeigt aber, dass Annalena Baerbock die Ernsthaftigkeit ihrer Mission und die Maßstäbe, an denen man gemessen wird, kapital unterschätzt hat und „keine Erfahrung“ nun zum echten Problem wird. Nicht wegen der Idee als solches, sondern vielmehr, weil der klassische Werdegang fehlt. Dort werden Verfehlungen und Fehler schon auf den unteren Wirkungsebenen bewertet und für die Zukunft eliminiert. Annalena Baerbock trifft es dagegen unvorbereitet, ein Déjà-vu schon kurz nach dem aufgehübschten Lebenslauf.
Wer an exponierter Stelle in der Öffentlichkeit steht braucht spätestens einen Tag, bevor er sich dazu entschließt, einen Berater. Einen guten Berater. In dem Fall sogar einen Bedenkenträger, der alles durchleuchtet und bewertet, anstatt dass man unvorbereitet in der Öffentlichkeit mit (vermeintlichen) Verfehlungen konfrontiert wird. Annalena Baerbock hat einen solchen Berater nicht oder die falschen.
Auch noch interessant: Die WELT bemerkt am 1. Juli 2021:
"Dabei, das am Rande, geht schon aus der Danksagung am Ende des Buches und einem Autoren-Hinweis an dessen Anfang hervor, dass „Jetzt“ mitnichten Seite für Seite von Baerbock persönlich geschrieben wurde. Beigetragen hat vielmehr eine ganze Reihe von Ghostwritern und Faktencheckern, an deren Spitze Michael Ebmeyer steht, der auch schon als Co-Autor von Außenminister Heiko Maas (SPD) fungierte. Insofern ist der Vorwurf, die Kanzlerkandidatin persönlich habe abgeschrieben, womöglich gar nicht treffend. Die Verantwortung für das Buch trägt sie als auf dem Band einzig genannte Autorin dennoch."
Weiter schreibt die WELT:
„Nicht die Strukturen innerhalb der Parteizentrale“ seien für die Fehler der vergangenen Monate verantwortlich, so ein interner Kritiker der Baerbock-Kampagne, „sondern die Missachtung dieser Strukturen“ durch jene Leute, die die Kandidatin ins Boot genommen habe.
Dazu gehören neben ihrem Ehemann, dem PR-Berater und früheren Mitarbeiter in der grünen Parteizentrale Daniel Holefleisch (*), Michael Scharfschwert, ebenfalls PR-Mann und früher Büroleiter des langjährigen Parteichefs Cem Özdemir, sowie Andreas Kappler, der als Kampagnensprecher aus der Bundestagsfraktion der Grünen in die Parteizentrale geholt wurde.
(*) könnte das später ein Scheidungsgrund sein? [= Anmerkung des Verfassers]