RA Stephan Dettmers | Verkehrsrecht

Einem Unfall-Geschädigten ist es auch dann nicht verwehrt, seinen Fahrzeugschaden auf der Grundlage des von ihm eingeholten Gutachtens fiktiv abzurechnen, wenn der Schädiger bzw. Versicherer kostengünstigere Reparaturmöglichkeiten in nicht markengebundenen bzw. fremdmarkengebundenen Fachwerkstätten nachweist. Diese Entscheidung traf das Amtsgericht (AG) Aachen im Fall eines Autofahrers, der nach einem Unfall seinen Fahrzeugschaden durch einen Sachverständigen seiner Wahl schätzen ließ.

Sodann rechnete er auf Gutachtenbasis (fiktiv) ab. Der Versicherer, dessen Einstandspflicht dem Grunde nach unstreitig war, nahm eine Reihe von Kürzungen vor, u.a. bei den Lohnkosten für Karosserie- und Lackierarbeiten. Er berief sich auf ein "Gegengutachten", in dem kostengünstigere Reparaturmöglichkeiten in freien Werkstätten ausgewiesen waren.Das AG sprach dem Autofahrer sämtliche strittigen Positionen zu. Bei den Lohnkosten (Stundenverrechnungssätze) legte das AG die Ansätze im Sachverständigengutachten des Autofahrers zu Grunde. Zur Begründung führte es aus, dass einem Geschädigten der Reparaturschaden auf der Basis der (höheren) Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt auch zu ersetzen sei, wenn der Schädiger konkret kostengünstigere Reparaturmöglichkeiten in freien bzw. fremdmarkengebundenen Fachwerkstätten nachweise. Dem Geschädigten könne nicht das Risiko auferlegt werden, dass die alternative Werkstatt genauso kompetent sei wie eine Markenfirma. Zudem würde außer Betracht bleiben, dass der Schädiger unabhängig von den Dispositionen des Geschädigten zur vollständigen Schadensbehebung verpflichtet sei.

 

Hinweis: Der Versicherer kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) den fiktiv abrechnenden Geschädigten auf eine diesem mühelos zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit verweisen (BGH, VI ZR 398/02). Ob auch eine nicht markengebundene ("freie") Werkstatt als gleichwertige Alternative in Frage kommen kann, hat der BGH bisher nicht entschieden. Wenn überhaupt, ist das nur in engen Grenzen zu bejahen, wobei auch Gesichtspunkte der Garantie und Gewährleistung eine wichtige Rolle spielen, ebenso die Frage einer eventuell höheren Wertminderung. Jedenfalls müssen die Tatsachen, die a) die Gleichwertigkeit und b) die "mühelose" Zugänglichkeit der Alternativwerkstatt begründen, vom Schädiger/Versicherer dargelegt und notfalls bewiesen werden (BGH, a.a.O.); (AG Aachen, 5 C 81/05).