Gerichte müssen sich regelmäßig mit Stürzen auf Glatteis beschäftigen. Bis zum Bundesgerichtshof (BGH) brachte ist dabei ein Sturz aus dem Jahre 2013. Auf dem Weg zu ihrer Arbeit kam dabei eine Fußgängerin an einem Hausgrundstück vorbei, rutschte aus, kam zu Fall und zog sich einen Bruch des Handgelenks zu. Wegen des krankheitsbedingten Verdienstausfalles klagte dann der Arbeitgeber der Fußgängerin gegen die Eigentümer des Grundstücks auf Zahlung von Schadenersatz. Die Besonderheit dieses Falles lag darin, dass der Gehweg vor dem Hausgrundstück an sich trocken und geräumt war und lediglich eine ca. 1 m² große Stelle verreist war.

Mit dem Argument, dass eine Räumung und Streupflicht nur bei einer allgemeinen Glättebildung bestehe, nicht aber, wenn nur vereinzelte Glättestellen vorhanden seien, setzten sich die Grundstückseigentümer gegen die Klage zur Wehr. Das erstinstanzlich mit der Angelegenheit beschäftigte Amtsgericht Wipperfürth folgte dieser Argumentation der Grundstückseigentümer und wies die Schadensersatzklage ab (AG Wipperfürth, Urteil vom 31.03.2015, Az. 9 C 249/13). Der Arbeitgeber der verunfallten Frau gab sich damit jedoch nicht zufrieden und so musste sich das Landgericht Köln mit dem Fall beschäftigen. In Köln sah man die Sache anders. Die Grundstückseigentümer, so führte das Landgericht Köln aus (Urteil vom 31.05.2016, Az. 11 S 158/15) seien ihrer Räum- und Streupflicht nicht nachgekommen. Dass es hier lediglich vereinzelte Glättestellen gab, sei unerheblich. Die Gemeindesatzung, in der die Räum- und Streupflicht normiert ist, spreche nicht von einer allgemeinen Glättebildung, sondern knüpfe an jede Glättebildung an. Dieses Urteil wollten nun aber die Grundstückseigentümer nicht akzeptieren und legten daher Revision beim BGH ein. Der BGH (Urteil vom 14.02.2017, Az. VI ZR 254/16) verwarf dann wiederum das Urteil des LG Köln und schloss sich dem Amtsgericht Wipperfürth an. Die winterliche Räum- und Streupflicht setze eine konkrete Gefahrenlage voraus, also eine Gefährdung durch Glättebildung bzw. Schneebelag. Grundvoraussetzung dafür sei aber eine allgemeine Glätte und nicht nur das Vorhandensein einzelner Glättestellen. Die obersten Zivilrichter unseres Landes machten sich dabei durchaus tiefschürfende Gedanken über diese Problematik. Es sei zwar in der Gemeindesatzung nicht ausdrücklich bestimmt, dass die Räum- und Streupflicht nur bei einer allgemeinen Glätte bestehe, man müsse hier aber die Grenze der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit betrachten. Eine Erweiterung der Verkehrssicherungspflichten für Grundstückseigentümer sei durch die Räum- und Streupflicht in der Gemeindesatzung nicht erkennbar und wohl auch nicht gewollt. Vor allem könnte die Gemeinde mit der Räum- und Streupflicht für die Grundstückseigentümer keine weitergehenden Pflichten begründen, als für die Gemeinde selbst gelten würden. Da auch die Gemeinde nicht bei jedem kleineren Eisflecken mit dem Räumen und Streuen beginne, könne man das auch von den Grundstücksanliegern nicht erwarten.