RAin Lilly-Brit Breitschwerdt | Schadenersatzrecht

Die dem Mandanten für die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts in Rechnung gestellte sogenannte „Geschäftsgebühr“ kann bei einer Klage, die den gleichen streitigen Sachverhalt betrifft, nunmehr vollständig als Schadenersatz eingefordert werden. Bisher wurde diese Geschäftsgebühr nur hälftig zum Ansatz gebracht. Jetzt hat der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch entschieden, dass die bisherige Rechtsprechung das zugrundeliegende Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) falsch angewandt hat.

Weder der Anwalt noch der Mandant erhalten dadurch allerdings mehr als vorher, denn nun wird die für das Gerichtsverfahren anfallende Verfahrensgebühr des Rechtsanwalts entsprechend verkürzt.

 

BGH, Urteil vom 7. 3. 2007 - VIII ZR 86/ 06, Auszug:

 

Ist nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG eine wegen desselben Gegenstands entstandene Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen, so vermindert sich nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr.

 

Nach der genannten Regelung (RVG VV Nr. 3100 Vorbemerkung 3 Abs. 4) ist unter der Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, eine entstandene Geschäftsgebühr teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen. Danach bleibt eine bereits entstandene Geschäftsgebühr unangetastet. Durch die hälftige Anrechnung verringert sich eine (später) nach Nr. 3100 VV RVG angefallene Verfahrensgebühr. Nach dem Gesetzeswortlaut ist die gerichtliche Verfahrensgebühr zu mindern, nicht die vorgerichtliche Geschäftsgebühr (so auch BayVGH NJW 2006, 1990; Schultze-Rhonhof, RVGreport 2005, 374; Hansens, RVGreport 2005, 392).

 

Soweit in der Rechtsprechung eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr abgelehnt und stattdessen eine hälftige Anrechnung der Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr befürwortet wird (z. B. KG JurBüro 2006, 202; OVG NRW NJW 2006, 1991, wobei übersehen wird, dass der Kostenschuldner durch die gegenteilige Auffassung nicht begünstigt wird, weil er einem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch ausgesetzt ist), mögen dafür prozessökonomische Gründe sprechen. Denn bei einer Anrechnung auf die Verfahrensgebühr wird die obsiegende Partei darauf verwiesen, die volle Geschäftsgebühr gegen die unterlegene Partei - gegebenenfalls gerichtlich - geltend zu machen, weil die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG - anders als die Verfahrensgebühr - im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103, 104 ZPO nicht berücksichtigt werden kann. Gründe der Prozessökonomie gestatten es jedoch nicht, ein Gesetz gegen seinen klaren Wortlaut anzuwenden.